Der Streit rund um das Leistungsschutzrecht (LSR) reißt nicht ab. Diese Woche wurde bekannt, dass die von T-Online, Web.de, GMX und Co. bereitgestellten Suchmaschinen viele Webseiten der durch die VG-Media vertretenen Verlage aus dem Index genommen haben. Brisant auch daher, weil deren Suchtechnik von Google bereitgestellt wird. Zwar haben diese Portale nur einen sehr kleinen Marktanteil aller Suchanfragen in Deutschland – jedoch fragt man sich unweigerlich was passiert, wenn Google selbst auch diesen Schritt umsetzt:
In einer vollständigen Analyse haben wir uns heute daher alle Domains angesehen, die die VG-Media als Wahrnehmungsberechtigte im Rahmen des Leistungsschutzrechts für Presseverleger ermächtigt haben. Die komplette Liste gibt es auf der Seite selbst zur Einsicht. Interessiert hat uns vor allem, wie viele Seiten der Domains derzeit in Google News und der Google Suche indexiert sind. Jeder kann diese Abfrage selbst nachvollziehen über die einfache Abfrage site:domain.de
Die komplette Analyse kann hier eingesehen und heruntergeladen werden.
Gravierende Ergebnisse:
Würde Google diesen Schritt gehen, fliegen über 750.000 News sowie 150 Millionen Webseiten aus dem Index.
Anschließend würde sich für die Verlage, Fernseh- und Radiosender zwangsläufig zeigen, ob die eigenständige Vermarktung zu mehr Umsätzen führt, oder die im Internet so beliebten und bereits lange praktizierten Modelle der Werbefinanzierung und Freemium-Konzepte lukrativer sind.
Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Effekt wäre der Einschnitt in die Informationsfreiheit. Zwar gibt es fast alle Nachrichten auch auf anderen Seiten, aber insbesondere bei den Regional-Zeitungen sind so mit Sicherheit vielen lokale Informationen erstmal nicht auffindbar.
Meiner persönlichen Ansicht nach sollte der Nutzer selbst entscheiden können, welche Dienste, Tools und Software er einsetzt, um das Internet für sich zu erschließen. Denkt man die Logik nämlich konsequent weiter, kann es gut passieren, dass in Zukunft bestimmte Zeitungen auch mit dem Google-Chrome Browser nicht mehr aufrufbar sein werden, weil die Verlage auch hier mit-verdienen wollen.
Portale auf Google News durchweg vertreten
Immer noch sind 60% der Verlagsportale mit Treffern in Google News vertreten.
Lässt man Radio- und Fernsehportale außen vor und schaut sich die aktuelle Klageerhebung auf Vergütung an, hätte man erwartet, dass viele der VG-Media Portale Ihr Einverständnis zur Listung in Google News zurücknehmen – dieses war ja wie man betonte nur “vorläufig gegeben“. Doch scheinbar ist dem nicht so: denn immernoch sind über 60% der größeren Portale auch im News-Teil des Suchkonzerns zu finden. Große Medien haben dabei im Schnitt knapp 10.000 News, welt.de sogar 40.000 Einträge. Auch die wenn man die Verlagsgruppen betrachtet, ist hier vermutlich ganz schön Traffic gebunden:
Vielleicht hat sich Axel Springer ja auch deshalb selbst an einer Suchmaschine beteiligt. Nutzer “Iab” hatte dazu im Blog von Stefan Niggemeier eine Theorie:
Zitat: “Der Weg ist frei für ein eigenes Produkt der Verlage, nachdem gesetzlich alle Konkurrenz aus dem Weg geräumt wurde…”
Ich selbst glaube da ja so zwar nicht dran, aber etwas überlegen wird man sich schon müssen, sollte diese Entwicklung eintreten.
Auffällig Sportbild.de und Playboy.de
Vielleicht liegt es an Maßnahmen zur Suchmaschinenoptimierung – vielleicht testet Google aber bereits die Anpassung einzelner Seiten? Jedenfalls sind mir die großen Namen Playboy und Sportbild in der Tabelle gleich aufgefallen. Bei der Anzahl indexierter Seiten fallen sie hier deutlich aus dem Raster. Spannend wäre sicher auch einmal aus SEO Sicht zu erheben, wieviel SVR (=Search Visibility Rank) verloren ginge, wenn die Domains tatsächlich entfernt würden.
Ein Wort zur Situation bei Echobot
Zwar betreiben wir derzeit keine öffentliche Suchmaschine und bewegen uns mit unseren Snippets bei unter 160 Zeichen – dennoch haben wir für das Monitoring unserer Kunden aber mehr als 22 Millionen (vs. 540.000 Google News) Nachrichten und Artikel der VG-Media Portale indexiert. Zum Glück haben wir schon vor Jahren (nach der ganzen FAZ / SZ Sache in 2012) damit begonnen, separate Verträge mit vielen Verlagen auszuhandeln. Zu unseren Partnern zählen daher jetzt auch die hier relevanten: DuMont und Axel Springer. So stellt der größte Teil dieser Artikel für Echobot kein Problem dar. Auch ist zu erwähnen, dass wir in der aktuellen Klagerunde keinen Brief erhalten haben… Danke an dieser Stelle, dass das Versagen der Gesetzgebung (nämlich klare Regelungen zu verabschieden) dieses mal nicht auf dem Rücken von Startups wie uns ausgetragen wird!
Und unsere Anstrengungen gehen weiter: Erst kürzlich haben wir diverse Regionalmedien als Partner gewonnen – demnächst folgen noch weitere auch sehr große Partnerschaften. Leider muss ich aber auch sagen, dass diese Verhandlungen unglaublich mühsam sind. An vielen Partnern sind wir schon über Monate dran – und 50% unserer Gespräche sind gerade “on-hold”: Meistens weil die Abteilungen in den Verlagen sich erstmal selbst sortieren und klären müssen, wer welche Rechte, wo, von wem und wie überhaupt künftig vergeben darf. Falls das hier also andere Verlage oder Medien lesen: wir haben ein tolles Modell zur gemeinsamen Monetarisierung eurer Inhalte – kommt doch einfach auf mich zu!
Es bleibt spannend!
Grüße Bastian Karweg